"Denn dieser Don Carlos des Alexander Hausvater überrascht durch seine Modernität, durch seine beschleunigte, frenetische Pulsation, durch eine Kombination von Elementen, die eine wahre Show aufbauen – vom Bühnenbild zur Musik, von der Bühnenbewegung zur Interpretation – eine Show, die strukturiert ist durch vielfache semantische Ebenen, aber die Intrige des Dramas beibehält, allerdings mit einer Neucodifizierung nach einem modernen Raster. Der schillersche Konflikt wird so von seiner romantischen Emphase entkernt. [...] Der Konflikt wird exzellent potenziert durch die splendide Musik von Ilie Stepan, mit seinen rockigen Rhythmen, die der Aufführung die Atmosphäre eines musikalischen Konzerts verleihen, ohne seine dramatische Qualität zu verwässern. Die selbe Konzeption, die sich perfekt an die Hermeneutik der Regieauffassung anschmiegt, ist in den Kostümen von Stela Verebceanu ausmachbar, ob wir nun an die schwarze Gelegenheits-Kleidung denken, an die fantasievoll-ausgefallene des Großinquisitors oder an das Kostüm der Sängerin, durch welches sie in eine Art obdachlose Wahrsagerin verwandelt wird. Nicht weniger die Choreographie der Mălina Andrei, die von den Schauspielern einen wahren physischen Kraftakt abfordert, mit weiten Sätzen auf und über die Zäune und Plattformen des Bühnenbilds, mit manchmal sehr sinnlichen An-Näherungen und Ent-Fernungen, ein andermal mit wahrlich kriegerischen Bewegungen – auch sie trägt bei zum Aufbau der speziellen Atmosphäre der Aufführung, die von einer gleichbleibenden Höchstspannung getragen wird. Don Carlos kennt ein einziges Tempo, das sehr allert ist, sehr intensiv, irgendwie komprimiert, wie unter einem gewissen Druck stehend, mit fast unmerklichen Szenenwechseln, mit einer aufmerksam aufgebauten "Figuration" – die Gestalten sind ständig auf der Bühne präsent, nicht nur in der Form der Aktanz, sondern auch als Assistenz, und das sichert die visuelle Dynamik jeder einzelnen Sequenz. [...] Don Carlos ist als ein Team-Spektakel gedacht, wo die Implizierung eines jeden einzelnen Interpreten wichtig ist für die Konfigurierung der spannungsgeladenen Atmosphäre und für die Aufrechterhaltung der Temperatur des Schau-Spiels. Und von diesem Standpunkt aus gesehen haben alle Schauspieler ihre Hingabe bewiesen, sowohl auf der Ebene der eigentlichen dramatischen Partitur, wie auch auf jener der physischen Leistung. [...] Don Carlos ist eine Aufführung der dramatischen Poesie, sehr schillerisch in seinem Textgerüst, mit akrobatischen Leistungen, im dynamischen Codex der Theaterästhetik der Gegenwart, mit Musik, mittels welcher die szenische Semantik verlängert wird in einen Raum der emotional-intimen Rezeption."

Claudiu Groza, in: Tribuna

"Die Haltung, die Alexander Hausvater einnimmt gegenüber der klassischen Partitur (oder, bitteschön, der romantischen) ist auch in diesem Fall betont ikonoklastisch. Der Regisseur hat ein eigenes Drehbuch ausgearbeitet, zusammengesetzt aus einem Minimum am Repliken, die er für ausreichend hält, um die Intrige zu skizzieren und ein Resümée des Konflikts zu liefern. Seiner Meinung nach handelt es sich um einen dreifachen Konflikt. In erster Linie geht es um einen sozialen und politischen Konflikt. Philip ist ein böser und blutrünstiger König, jederzeit bereit, auf die Schnelle und gnadenlos zahllose Todesurteile und Gefängnisstrafen gegenzuzeichnen, weshalb das unterdrückte Volk all seine Hoffnungen in dessen Sohn setzt, Don Carlos, dessen Aufsässigkeit das Volk bereit ist, mit Begeisterung und Opferbereitschaft zu unterstützen. In zweiter Linie handelt es sich um einen Generationskonflikt, denn, so erklärt es Hausvater im Programmheft: "die heutige Generation will so brav wie ihre Eltern sein, richtig seicht... das muss aber geändert werden, sonst kommen wir nicht weiter". In der Aufführung von Temeswar taucht noch ein dritter Konflikt auf, vielleicht der am prägnantesten herausgearbeitete, jener zwischen zwei Männern, König Philip, noch jung und viril, entzückt von seinen eigenen amourösen und sexuellen Leistungen, selbstverliebt in seinen Körper, den er enthüllt, so oft sich ihm eine Gelegenheit dazu bietet, und seinem Sohn, Don Carlos, dem Playboy & Revoluzzer & Terrorist & Freund & Musiker. So dass die Aufführung aufbaut auf die vielfach antagonischen Beziehungen zwischen den beiden Gestalten, mit Hingabe und Implikation, mit Energie und dramatischem Atem auf die Bühne gebracht von den Schauspielern Georg Peetz und Wolf E. Rahlfs. [...] Don Carlos auf der Bühne des Deutschen Staatstheaters Temeswar ist das, was ich eine unreine Aufführung nennen würde. Das sollte, in diesem Fall, überhaupt keinen abwertenden Sinn erkennen lassen. Es möchte aber unbedingt die Gegenwärtigkeit der Aufführung unterstreichen, unserer alltäglichen Gegenwärtigkeit, die durch Unreinheit und Synkretismus charakterisiert wird."

Mircea Morariu, in: Teatrul azi